Die Grube Stemmer und Barbara nördlich von Montabaur ist nicht nur reich an hochwertigem Ton – sondern auch der Ort, an dem für Blasius Schuster 2020 eine echte Jahrhundertaufgabe startete. Mindestens acht Millionen Tonnen Trachyt wollen sie hier in den kommenden Jahrzehnten fördern – denn ansonsten kann man die Bodenschätze des Westerwald nicht ans Tageslicht bringen.
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Alle drei Wochen donnert’s hier im Westerwald. Tausende Tonnen Gestein kommen dann in Bewegung, fangen an zu rumpeln und zu brechen. Auch mit etlichen Kilo Sprengstoff bleiben viele Brocken tonnenschwer – und sind doch gut zu verarbeiten für Timo Kuhl und seine Jungs, die hier das graue Gold aus dem Westerwald abtragen: Trachyt.
Wir sind in der Grube Stemmer und Barbara bei Montabaur, wo der belgische Bergbaukonzern Sibelco ein 100 Meter tiefes Loch in den Westerwald gegraben hat, um Ton abzubauen. Dieser Ton stammt aus der Zeit, als der Westerwald noch den Grund des Devonmeeres bildete und sich hier über Jahrmillionen Sedimente ablagerten. Sicherheit steht hier über allem, das sieht jeder, der auf’s Gelände fährt, an einem großen Schild. Darauf steht, wann es den letzten Arbeitsunfall gab. Dass der schon fünf Jahre her ist, spricht für die Professionalität der Mannschaft hier.
TRACHYT MUSS WEG!
Wer sich aber wie Blasius Schuster mehr für den Stein als für den Ton interessiert, der muss einmal rum um die Grube. Ganz im Osten erhebt sich ein kleiner Hügel über den Grubenrand – und markiert damit die Stelle, an der eine viele Meter dicke Trachytschicht über dem Ton liegt. „Und die muss weg“, sagt Paul Schuster und lächelt verschmitzt, weil er weiß, was für eine Mammutaufgabe das ist. Auf acht Millionen Tonnen ist die Trachyt-Schicht ursprünglich geschätzt worden, vermutlich aber ist es noch deutlich mehr. „Die Trachyt- Schicht wird zum Berg hin immer dicker, der Stein nach unten hin immer härter“, erklärt Paul Schuster, während wir von der ersten Sohle schon 20 Meter nach unten auf die zweite Sohle blicken. Ein 50 Tonnen schwerer Caterpillar 952 füttert hier die Prallmühle von Kleemann, die aus Steinen Schotter macht. Gut 20 Meter lang ist die 60 Tonnen schwere Anlage, in der die Trachytbrocken so lange von Schlagleisten bearbeitet werden, bis sie durchs Sieb fallen und als Material mit 0 bis 45 oder 0 bis 200 Millimetern im Tiefbau Verwendung finden.
„In ganz Deutschland fehlt es an bergfrischem Naturstein“, sagt dazu Paul Schuster, während schon der nächste Muldenkipper von einem der drei Radlader befüllt wird. „Die Nachfrage ist wirklich groß, aber was mir persönlich fast noch wichtiger ist: Wir haben es mit dem Trachyt als Rückfracht geschafft, die Auslastung unserer Lastwagen von unter 50 auf 70 bis 80 Prozent zu steigern. Ich kenne in der Mineralstofflogistik niemanden, der seine Lastwagen so effektiv nutzen kann wie wir. Und das ist einfach gut für die Umwelt, weil es viele tausend Liter Diesel spart.“ Der Seniorchef von Blasius Schuster hat schon vor Jahren das Potenzial dieser geologischen Besonderheit im Westerwald erkannt. Der Trachyt hier ist das Erbe der Vulkane, die im Westerwald einst Feuer, Asche und heiße Lava spuckten. Was von anderen nur als Hindernis bei der Tongewinnung angesehen wurde, ist für Blasius Schuster ein wichtiger Rohstoff, der wie Granit, Porphyr oder Quarzit im Straßenbau und für viele andere Einsatzgebiete gefragt ist.
DEN STEIN INS ROLLEN GEBRACHT
Rückblende. 2020. Der Steinbruch ist noch ganz frisch und im Vergleich zur riesigen Tongrube davor leicht zu übersehen. Man muss schon dicht ranfahren, um zu sehen, dass hier sechs Menschen buchstäblich vor einem Berg Arbeit stehen. Der Platz ist noch recht beengt und dennoch rollen die royalblauen Sattelschlepper von Blasius Schuster regelmäßig aufs Gelände. Zwei Bagger arbeiten schon, gesprengt wird auch – aber man kann sich kaum vorstellen, wie man es schaffen will, im Zeitplan die vertraglich vereinbarten acht Millionen Tonnen Stein abzubauen. So kleine Maschinen und so ein großer Berg – kann das klappen?
„Dabei spielt Harald Lewalter eine große Rolle“, sagt Paul Schuster und stellt mich dem vielleicht besten Brechanlagen-Profi Deutschlands vor. „Ich hab’ ihm ein geradezu unmoralisches Angebot machen müssen“, verrät Paul noch. „Aber wir mussten ihn ja irgendwie davon überzeugen, dass er seine eigene Firma hinten anstellt und für uns die Maschinen am Laufen hält.“
So viel Lob bringt sogar einen alten Fahrensmann in Verlegenheit, aber es stimmt schon: Harald Lewalter ist seit mehr als 30 Jahren in der Branche und hat in vielen großen Steinbrüchen Mitteleuropas schon gearbeitet: in Italien, Österreich und Ungarn, in Luxemburg und Frankreich, in Holland und natürlich in ganz Deutschland.
RADLADER ODER SCHREIBTISCH?
Bevor sich Maschinenflüsterer Harald Lewalter des Maschinenparks in der Grube annahm, lag die Jahresleistung bei kaum 100 000 Tonnen. „Es gab viel zu viele Ausfälle“, sagt Lewalter rückblickend. „An zwei, drei Tagen in der Woche stand die Grube meistens still, weil zu rabiat gearbeitet wurde. Denn auch wenn die Maschinen unverwüstlich aussehen – sie brauchen viel Pflege.“ Jede Woche guckt Harald Lewalter daher die Anlagen durch: Wie sieht’s bei der Hydraulik und in den Schaltschränken aus? Wie steht’s um die Elektrik? Wie um die Verschleißteile und die Förderbänder? Diese Akribie lohnt sich: Aktuell laufen die Anlagen im Schnitt an viereinhalb Tagen in der Woche und die Jahresleistung hat sich auf mehr als 270 000 Tonnen fast verdreifacht. „Ein bisschen was ist sogar noch drin“, sagt Harald Lewalter, der demnächst sogar noch auf einer dritten Sohle abbauen kann. Denn mehr als 20 Meter hoch sollten die Trachytwände nicht sein, zu groß ist sonst die Gefahr, dass der Stein unkontrolliert ins Rutschen kommt.
Während Harald Lewalter in seiner Werkstatt – eigentlich nur ein großes, weißes Zelt direkt neben den Bürocontainern – nach den neuen Schlagleisten für die Prallmühle sieht, steuert Timo Kuhl den ganzen Betrieb von seinem Schreibtisch aus. Es hat WLAN in der Grube, eine vernünftige Internet- Anbindung und so ist Timo permanent mit der Zentrale in Limburg verbunden.
Als Betriebsleiter im Steinbruch ist er für die Disposition zuständig und sagt seiner Mannschaft, was und wie viel gerade gebraucht wird: grober Schotter als Unterbau für die neue Autobahnbrücke bei Rüsselsheim oder doch was Feines für den Gartenbaubetrieb? 200 Tonnen oder doch 2000
„Hier ist jeder Tag anders und das macht’s spannend“, sagt der groß gewachsene Westerwälder mit den vielen Tätowierungen, der früher bei der Polizei war, dann zur Bundeswehr ging, Lkw-Fahrer wurde und schließlich Disponent bei Blasius Schuster. Hundert Dinge auf einmal im Blick behalten: Das ist genau sein Ding. „Ich erinner’ mich noch, wie ich am ersten Tag mit Paul Schuster in seiner S-Klasse hier rausgefahren bin“, sagt Timo und grinst in der Erinnerung an die vielen kleinen Geschichten, die sich hier im Steinbruch immer wieder ereignen. „Kommt schon mal vor, dass ich auch im Radlader sitzen muss“, sagt er. „Aber so gern ich Radlader fahre: Es ist nicht einfach, in den Dingern zu telefonieren. Und dann bleibt die Arbeit am Schreibtisch liegen – und das geht nicht. Unser Anspruch ist es schließlich, dass hier alles rund läuft und das Material stets pünktlich da ist, wo es gebraucht wird.“